Hast du dich schon einmal gefragt, wie die Welt aus der Sicht einer Kuh aussieht? Genau wissen wir das natürlich nicht, denn dazu müssten wir buchstäblich in die Haut einer Kuh schlüpfen können. Glücklicherweise ist das weit jenseits unserer Möglichkeiten. Dennoch ist es von entscheidender Bedeutung, zumindest theoretisch zu verstehen, wie Rinder ihre Umgebung wahrnehmen, insbesondere wenn man mit ihnen zu tun hat. Dieses Verständnis kann unerwünschte Reaktionen der Rinder verhindern oder zumindest minimieren.
Rinder unterscheiden sich erheblich von uns Menschen in Bezug auf ihr Sehvermögen. Sie verfügen über einen erstaunlichen Rundumblick von 300-330 Grad. Lediglich direkt hinter ihnen gibt es einen toten Winkel. Das bedeutet, dass sich Rinder leicht erschrecken können, wenn jemand sich von hinten nähert. Aufgrund ihrer seitlichen Augenposition haben sie jedoch nur im vorderen Bereich, wo sich die Sichtfelder beider Augen überschneiden, eine dreidimensionale Sicht. In anderen Bereichen sehen sie nur zweidimensional, was bedeutet, dass sie räumliche Objekte und schnelle räumliche Bewegungen nicht so gut wahrnehmen können. Zusätzlich verfügen Rinder nur über etwa 30% der Sehschärfe eines Menschen und haben ein stark abweichendes Farbsehen. Als Dichromaten besitzen sie lediglich Farbrezeptoren für Blau- und Grünbereiche, während sie den roten Bereich nicht wahrnehmen können. Dies erklärt, warum die Vorstellung, dass Rinder Angst vor roten Tüchern haben, ein Mythos ist. Im Gegensatz dazu sind Rinder uns Menschen beim Nachtsehen überlegen. Durch eine reflektierende Schicht im Auge, die als Tapetum lucidum oder Restlichtverstärker bezeichnet wird, können sie im Dunkeln besser sehen. Diese Schicht verstärkt das vorhandene Licht, erfordert jedoch immer noch eine geringe Lichtquelle wie den Mond oder ein Nachtlicht im Stall.
Auch beim Hören müssen wir die unterschiedliche Wahrnehmung der Rinder berücksichtigen. Rinder können ihre Ohren unabhängig voneinander ausrichten, was es ihnen ermöglicht, gezielt zuzuhören. Darüber hinaus verfügen sie über ein äußerst empfindliches Gehör und können Frequenzen im Bereich von 23 bis 35.000 Hz hören, wobei der empfindlichste Bereich bei 8.000 Hz liegt. Zum Vergleich hören Menschen im Durchschnitt nur Frequenzen zwischen 20 und 20.000 Hz. Lautstarke Geräusche und anhaltender Lärm können Rinder genauso stark, wenn nicht sogar stärker, stressen als uns Menschen und sollten daher unbedingt vermieden werden.
Rinder verfügen über zwei Organe, um Gerüche wahrzunehmen: Riechzellen in der Nasenschleimhaut und das sogenannte Jacobsonsche Organ. Letzteres analysiert spezielle Geruchssignale wie Botenstoffe (Pheromone), die im Urin, Kot und Schweiß ausgeschieden werden. Um Gerüche intensiver wahrzunehmen, flehmen Rinder.
Indem wir diese Besonderheiten der Rinderwahrnehmung berücksichtigen und verstehen, dass die Welt aus Rinderaugen anders aussieht, sich anders anhört und anders riecht, können wir langfristig einen fairen Umgang ohne Missverständnisse mit den Rindern sicherstellen. Dies ist nicht nur wichtig, um Misskommunikationen zu vermeiden, sondern auch im Hinblick auf das Wohl der Tiere und den respektvollen Umgang mit ihnen.