Rinder sind bekannt für ihre stoische Ruhe und ihr scheinbar unauffälliges Verhalten. Doch hinter dieser Fassade können sich Schmerzen und Unwohlsein verbergen. Um das Wohl unserer Rinder sicherzustellen, ist es entscheidend, Schmerzsignale zu erkennen und rechtzeitig zu handeln. Rinder mögen zwar selten laut über ihre Schmerzen klagen, aber sie kommunizieren dennoch auf ihre eigene Weise. Wenn wir lernen, ihr Verhalten zu beobachten und auf subtile Anzeichen in ihrer Körpersprache zu achten, werden die stillen Schmerzsignale plötzlich klar und deutlich.
Eine gesundes Rind folgt einem natürlichen 24-Stunden-Rhythmus, der von verschiedenen Faktoren, wie den Haltungsbedingungen und der Herde, beeinflusst wird.
Sie trinken im Laufe des Tages 5- bis 10-mal Wasser, wobei der Bedarf von äußeren Umständen abhängt und zwischen 50 und 170 Litern pro Tag variieren kann. Rinder fressen ungefähr 6 bis 10 Stunden am Tag, meistens aufgeteilt in vier Fressperioden. In Ställen gehaltene Rinder verbringen etwas weniger Zeit mit dem Fressen. Etwa 30 bis 60 Minuten nach dem Fressen beginnen sie mit dem Wiederkäuen, das in mehreren Phasen etwa 45 bis 60 Minuten dauert. Dabei wiederkäuen sie zu 80 % im Liegen und verbringen über 50 % dieser Zeit nachts damit. Insgesamt kauen sie 6 bis 9 Stunden am Tag und erzeugen dabei etwa 60 Kauschläge pro Bissen (etwa 100 g). Rinder scheiden ihren Kot 10- bis 15-mal am Tag aus, besonders nach Fress- und Liegephasen, während sie 4- bis 10-mal am Tag etwa 20 Liter Urin abgeben. Das Liegeverhalten ist ebenfalls von Bedeutung: In der Regel liegen Rinder 1 bis 2 Stunden am Stück, 8- bis 11-mal am Tag, was einer täglichen Liegezeit von etwa 12 bis 14 Stunden entspricht.
Obwohl diese Parameter im Alltag nicht immer genau gemessen werden können, ist es dennoch wichtig, das normale Verhalten von Rindern zu beobachten und ein Gefühl dafür zu entwickeln. Abweichungen von diesen Verhaltensmustern sind oft erste Anzeichen für Probleme, die näher untersucht werden sollten.
Ein deutliches Anzeichen für abweichendes Verhalten, das sofortiges Handeln erfordert, ist übermäßiges Liegen, möglicherweise begleitet von Stöhnen. Klauenprobleme könnten in einem solchen Fall die Ursache sein.
Zusätzlich zum täglichen Rhythmus ist es wichtig, den Brunstzyklus der Kühe zu beobachten. Wenn Kühe nicht alle 3 Wochen brünstig werden, kann dies auf Übergewicht oder eine Zyste hinweisen. Eine Brunst, die länger als 3 Tage dauert, könnte auf eine Gebärmutterzyste hindeuten.
Die Körpertemperatur ist ein weiterer wichtiger Indikator für die Gesundheit von Rindern. Die ideale Temperatur eines Rindes liegt zwischen 38,3 und 38,8°C. Abweichungen nach oben oder unten erfordern die sofortige Aufmerksamkeit eines Tierarztes. Die Temperatur wird am besten rektal gemessen. Fieber oder Untertemperatur gehen oft mit veränderter Futteraufnahme und apathischem Verhalten einher. Eisige Ohren deuten ebenfalls auf ein ernstes Problem hin, das eine sofortige Temperaturmessung und einen Anruf beim Tierarzt erfordert.
Weicht das Verhalten der Rinder von der Norm ab, ist das ein wichtiger Hinweis, dem viele Ursachen zu Grunde liegen könnten, inklusive starker Schmerzen oder Unwohlsein.
Manchmal ist das Verhalten bei der täglichen Kontrolle schwer zu bewerten. In solchen Fällen ist es hilfreich, auf eindeutige Schmerzsignale zu achten, die auf das Unwohlsein von Rindern hinweisen. Dazu gehören lautes und vermehrtes Stöhnen, intensives Kopfschütteln und Schwanzschlagen.
Starkes Zähneknirschen oder Bauchtreten sind ebenfalls Anzeichen für starke Schmerzen bei Rindern. Das Anpressen des Kopfes an Artgenossen oder Gegenstände, sowie das Verformen von Gegenständen durch Nase-Anpressen, sind weitere eindeutige Schmerzsignale. Ein gekrümmter Rücken deutet ebenfalls auf Schmerzen hin.
Um die leisen Schmerzsignale bei Rindern zu erkennen, wurde die Cow Pain Scale entwickelt. Diese Skala, von Gleerup et al. entwickelt, betrachtet 7 Merkmale und teilt sie jeweils in 3 Stufen ein.
Im folgenden sind diese Merkmale und ihre 3 Stufe aufgeführt:
Die Cow Pain Scale kann eine wertvolle Hilfe sein, um systematisch nach Anzeichen von Schmerzen bei Rindern zu suchen.
Die Studie zeigt auch spezielle Schmerzgesichter auf, die deutlich zeigen, wie wichtig es ist, sich mit den Schmerzsignalen bei Rindern auseinanderzusetzen. Denn diese Signale werden oft übersehen und können zu schwerwiegenden Problemen führen. In jedem Fall ist es entscheidend, Schmerzsignale ernst zu nehmen und frühzeitig einen Tierarzt oder eine Tierärztin zu konsultieren.
Die Gesundheit unserer Rinder liegt uns am Herzen, und durch eine aufmerksame Beobachtung ihres Verhaltens und die Beachtung der genannten Anzeichen können wir dazu beitragen, ihre Lebensqualität zu verbessern und Schmerzen rechtzeitig zu lindern.
Illustrationen von Anders Rådén.
Gleerup, K. B., Andersen, P. H., Munksgaard, L., & Forkman, B. (2015). Pain evaluation in dairy cattle. Applied Animal Behaviour Science, 171, 25–32. https://doi.org/10.1016/j.applanim.2015.08.023